Erinnerung von Prof. Dr. Wolfgang Beinert

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Schilderung der Privataudienz
von Prof. Dr. Wolfgang Beinert

"Seit Neuestem gibt es keine Privataudienzen mehr" (römisches Insiderwissen). "Seit alters her empfängt der Papst nicht in den Räumen seiner Sommerresidenz in Castel Gandolfo" (gemeinkatholische Erfahrung). "Keine Regel ohne Ausnahme" (Volksweisheit). Die Pentlinger Delegation aus Mitgliedern der Filialgemeinde St. Johannes und Vertretern der politischen Großgemeinde wurde empfangen, sehr privat, gleich in zwei Gemächern des Palastes über dem Albanersee, beinahe zwei Stunden lang. Unbezweifelbar: Eine Ausnahme, die alle Regeln bestätigt.

Angefangen hatte dieses Ausnahmeereignis nach dem Festakt von Kirche und Gemeinde wenige Tage nach der Wahl unseres Mit- und Ehrenbürgers Joseph Ratzinger zum Pontifex Maximus der römisch-katholischen Kirche. Der 1. Bürgermeister und der Schreiber dieser Zeilen hatten die Idee, eine Wort- und Bild-Dokumentation erstellen zu lassen und diese dem Papst zu überreichen. Nach einigen Anfragen, zwei Autographen Benedikt XVI. an die Genannten, mehreren Telefonaten und einer Reihe von Mails und Faxübermittlungen fanden sich am schwül-regnerischen Nachmittag des 08. Septembers 2005 genau 90 Personen am Hauptportal des eindrucksvollen Palazzo Papale ein, rund 30 km südöstlich der Ewigen Stadt. Unter ihnen waren nicht nur der 1. Bürgermeister Albert Rummel mit den beiden Alt-Bürgermeistern Franz Sennebogen und Gerhard Klier sowie 15 Gemeinderäten, sondern auch Signora Nadja Ginetti, Sindaca der Partnergemeinde Corciano mit Altbürgermeister Palmiero Bruscia, sowie die Damen Marielle Sigalas und Maryse Duchamp Gemeindevorsteherinnen von Civrieux de Azergues, der neuen Verbindung Pentlings mit Frankreich. Prof. Dr. Beinert, Seelsorger in Pentling, die Pfarrer Wohlgut (Regensburg, St. Anton) und Pfarrer Andreas Giehrl (Hohengebraching) repräsentierten die heutige und ehemalige Priesterschaft der Großgemeinde.


Fotografia Felici (Roma)

Major Hasler, der Kommandant des Detachments der Schweizergarde in Castel Gandolfo, empfing gleich nach der strammen Wachablösung der Posten Punkt 16.00 Uhr die Pentlinger Delegation. Nach strenger Gesichtskontrolle wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den großen Innenhof gebeten, gerade als allen Tages-Erwartungen zum Trotz die Sonne sich sehen ließ. Eine Stunde später erschien der Privatsekretär des Papstes, der hochgewachsene "Don Giorgio", Mons. Gänswein aus der Freiburger Erzdiözese. Gemessenen Schrittes (wer ihn nicht gleich konnte, dem wurde er von der Schweizergarde beigebracht!) führte er die knappe Hundertschaft in einen langgestreckten Saal nahe der Hauskapelle. Diese wäre zu klein gewesen; so hatte die Präfektur des Apostolischen Hauses im anschließenden Raum einen eigenen Volksaltar aufgebaut. Dort lagen auch die Fahnenbänder der FFW Pentling mit der Erinnerungsinschrift und den beiden Wappen von Papst und Pentling. Sie erhielten nach der Messe den päpstlichen Segen.

Dann kam der Heilige Vater! Alle hatten ihn natürlich bereits einmal gesehen, wenn nicht in der Zeit seiner Urlaube daheim, so doch im Fernsehen in den dramatischen Tagen des vergangenen April. Gleichwohl war wohl keiner, der nicht beeindruckt, ergriffen, bewegt, begeistert gewesen wäre, jetzt nur einige Schritte entfernt von ihm zu stehen, mit ihm Eucharistie zu feiern: Unser Mitbürger, Nachfolger Petri, Stellvertreter Christi, verantwortlich für mehr als eine Milliarde Menschen. Begleitet wurde er von Beinert als Konzelebranten und Gänswein als Assistenten. Mit kraftvoller Stimme begrüßte er in den Worten der Liturgie die Gemeinde. Eine eindrucksvolle Feier hob an. Gemeindegesang, die Lesung durch ein Mädchen (wenigstens so war auch das weibliche Moment der Menschheit offiziell gegenwärtig), die hl. Kommunion eine Gemeindemesse wie alle (Sonn-)Tage und doch einmalig für alle Anwesenden, den Zelebranten wohl eingeschlossen.

Es war eine glückhafte Fügung, dass am 08. September das Fest der Geburt Mariens im Kirchenkalender steht. Mit ebenso tiefen wie einfachen Worten legte der Papst das Tagesgeheimnis aus: Nur drei Menschen werden durch ein liturgisches Gedenken am Geburtstag ausgezeichnet, neben Jesus und dem Pentlinger Kirchenpatron Johannes eben die Mutter unseres Herrn. Das Evangelium mit der schier endlosen Liste der Namen aus dem Stammbaum Jesu weist darauf hin: Sie steht uns besonders nahe in ihrer Menschlichkeit wie auch in ihrer Christusverbundenheit. Im Friedensgruß erlebten die Feiernden die große Verbundenheit, die die Kirche des Friedensbringers Christus schenkt.

Nach dem päpstlichen Segen wurde die Gruppe in die geräumige "Sala degli Svizzeri" geleitet. Nach einigen Minuten öffneten sich die Türen. Begleitet von Erzbischof James Harvey, dem Vorsteher des Päpstlichen Hauses, Georg Gänswein und Prof. Beinert betrat der Papst den Raum. Eine kurze Ansprache der beiden Delegationsleiter. Dann beginnt Benedikt:" Ich habe keine Rede vorbereitet". Stattdessen lässt er mit familiären Worten die rund dreißig Jahre seines Lebens in Pentling Revue passieren. Die Lokalhistoriker bekommen authentische Auskunft über die gar nicht basisdemokratische Benennung der Bergstraße. Sie wurde ganz schnell notwendig, weil der neue Theologieprofessor eine Anschrift dringlich brauchte. Erinnerung an die Nachbarn einschließlich der tierischen... Und ganz unübersehbar die Sehnsucht nach "dem Häusle, wie ich immer sage". "Nächstes Jahr komme ich nach Regensburg. Dann wohl auch dorthin. Und in die Pentlinger Kirche"

Der 1. Bürgermeister überreicht mit wohlgesetzten Worten die Dokumentation jener denkwürdigen Gemeinderatssitzung des Aprils. Außerdem erhält der Papst von der Gemeinde ein Aquarell seines Hauses an der Bergstraße sowie selbstgefertigte Gaben der Kleinsten im Großberger und Pentlinger Kindergarten. Sichtlich erfreut ist der Papst. Hoch erhebt er die Geschenke, damit alle es sehen und die Photographen es festhalten können. Die Dokumentation wurde in Handarbeit vom Neudorfer Buchbinder Josef Biersack angefertigt. Das Aquarell stammt aus der Hand des Pentlingers Johann Islinger.

Teil drei beginnt: Dem Heiligen Vater werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einzeln vorgestellt. Für alle findet er ein freundliches Wort. Mit einem großen Lächeln begrüßt er die alten Bekannten. Erstaunlich ist sein Gedächtnis, das auch längst vergangene Details registriert hat. Allmählich füllt sich der Tisch des Saales mit den Geschenken, die einzelne ihm überreichen. Selbstverständlich gehört dazu die Festschrift der Feuerwehr, die Mitglied Pontifex Maximus bekommt, in einem eigens gefertigten schweinsledernen Einband, aber auch ein längst verschollen geglaubtes Photo seines Lehrers Gottlieb Söhngen. Andere wieder halten ihm eines seiner Bücher zum Signieren hin. Besonders liebenswürdig ist seine Unterhaltung mit den Kindern und Jugendlichen, die zur Gruppe zählen.. Hier und da erkundigt er sich nach ihren Berufswünschen, den Schulerfolgen, nach den Pentlinger Neuigkeiten allgemein. Es dauert nur wenige Augenblicke, da sind alle so gelöst wie ihr großer Gesprächspartner. Befangenheit kommt erst gar nicht so richtig auf. Die lächelnde Offenheit, mit der Benedikt XVI. die Begegnung gestaltet, macht diese einzigartige Audienz reich, lebendig, unvergesslich für alle und jede, für jeden einzelnen. Es ist eigentlich ein Familientreffen, eine Begegnung derer, die sich kennen und schätzen, die sich mögen.

Logisch, dass vor dem Abschied ein Familienphoto gemacht werden muss. Es ist in zwischen 18.45 Uhr geworden. Dann verlässt unter langem, großen Beifall Benedikt die Pentlinger. Diese haben bleibende Erinnerungen und den Papstrosenkranz mit Wappen und Vortragekreuz des Papstes, persönlich jedem in die Hand gedrückt. Jeder geht wieder seiner Wege. Wirklich? In den nächsten Stunden und Tagen schweifen Gespräche und Gedanken wieder und wieder zurück nach Castel Gandolfo. Ein Teilnehmer sagt: "Das war die größte Stunde meines Lebens!"

Keine Regel ohne drohende Ausnahme. Niko (7), der Jüngste, schwankt beim Abschied aus der Tiberstadt lange, welches sein größtes Romerlebnis war? Der Papst oder die Karpfen des Canope-Kanals in der Villa Adriana, die er fast gefangen hätte. Der Papst bleibt Sieger. Ausnahmslos!